Drei junge Leute aus Dublin entführen einen Bischof und verschanzen sich im Elternhaus eines der Jugendlichen. Die Dubliner Polizei und auch die Eltern versuchen die Entführung zu beenden. Ohne Erfolg. Dann stellt sich heraus, dass der Bischof einen amerikanischen Pass hat, was zur Folge hat, dass die US-Marines eingreifen. Am Schluss meldet sich gar der amerikanische Präsident zu Wort und alles endet mit einer – Überraschung …
Alles in allem ein aktuelles, ernstes Thema mit viel Witz und Humor.
We are brownbread – wier si futsch
Ja, Futsch ist das Runningword des Stückes von Roddy Doyle. Wir sind futsch, kaputt.
Aber wer sind wir?
Sind das die drei Jugendlichen Ao, Donkey und Jo, die aus welchen Gründen auch immer einen Bischof entführen und sich mit ihm im Elternhaus von Donkey verbarrikadieren? Natürlich, wir kennen den Sermon von der kaputten Jugend, die sich nicht an «unsere» Spielregeln halten will, die wir doch zu ihrem Besten aufgestellt haben möchten. Natürlich, wir wissen von den Schwierigkeiten, denen die heutige Jugend ausgesetzt ist, sei’s in der Schule, sei’s in der Arbeit, sei’s in der Arbeitslosigkeit. We are brownbread – wier si futsch.
Aber wer sind wir?
Sind das die Erwachsenen, welche die drei Jugendlichen belagern und belabern? Das «Wir-wollen-euch-doch-nur-helfen» und das «Wir-sitzen-alle-im-gleichen-Boot» werden als leere Worthülsen demaskiert. Ja, Roddy Doyle zeigt uns eine kranke Erwachsenenwelt, sei’s im Schaumschläger Farrell, dem Vater von Ao, sei’s in der überspannten, nur am sozialen und materiellen Aufstieg interessierten Miss Murray, der Mutter von Jo, sei’s in der hilflosen Polizei, die als Dick-und-Doof-Parodie paradiert. We are brownbread – wier si futsch.
Der Dubliner Bischof Treacy entpuppt sich als Doppelbürger, d.h. er hat neben dem irischen noch einen amerikanischen Pass, was prompt die US-Marines auf den Plan ruft. Was Roddy Doyle in seinem Stück aus dem Jahr 1987 als Fiction entwirft, ist definitiv Faction geworden: Bedrohte amerikanische Bürger geniessen den besonderen Schutz ihrer Militärs mit ihren grössten Feldherrn im Weissen Haus – in den 80-ern Reagan, heute Bush Junior. Und wenn wir heute Doyles Stück lesen oder sehen, stellen sich die Assoziationen ganz von selbst ein: Afghanistan, Irak als Beispiele einer scheiternden imperialistischen Politik unter den euphemistischen Begriffen Freiheit und Demokratie. Und eine weitere Assoziation: George Orwells New Speak in seiner Negativ-Utopie 1984, wo aus Krieg Frieden wird, aus Lüge Wahrheit, aus Hass Liebe. Und: Permanent wird Krieg geführt, denn mit Krieg kann man Angst erzeugen und die Leute an die Kandare nehmen. Christlicher und islamischer Fundamentalismus. We are brownbread – wier si futsch.
Das Stück endet mit einem Eklat. Der Bischof stellt sich auf die Seite seiner Entführer. Leidet er unter dem Stockholm Syndrom? Ist es reines Kalkül, dass er in der US-Invasion die grössere Gefahr für sein Leben sieht, sehen will? Oder doch die Vision eines moralischen Menschen, der erkennt: we are brownbread, wier si futsch?
Eine Tragödie? Eine Komödie?
Wer Roddy Doyles Werke über das fiktive Dubliner Arbeiterviertel Barrytown (The Commitments, The Snapper, The Van) kennt, weiss, dass er es meisterhaft versteht, die Sorgen und Nöte der kleinen Leute zu artikulieren. Sein Werk ist dabei immer politisch. Dabei gelingt es ihm, das Ganze witzig und humorvoll zu gestalten, ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu drohen und ohne die Protagonisten zu denunzieren. Man kann lachen, man kann sich amüsieren und verliert doch nie den Blick auf die triste Realität.
Roddy Doyle ein Dramatiker, der seinen Brecht kennt. Songs unterbrechen die Szenen, kommentieren das Geschehen. Es sind Songs aus der Geschichte des Rock ‘n‘ Rolls, welche die Wut und die Trauer der Jugendlichen ausdrücken. Dieser Verfremdungseffekt hievt die Handlung auf eine Metaebene, die es dem Zuschauer erlaubt zu denken und zu erkennen, was er ändern müsste, was es bräuchte, damit es eben nicht stimmt, dieses we are brownbread, wier si futsch. Eine Tragikomödie.
Hermann Anthamatten
1958 geboren in Dublin, Irland. Der Romancier, Dramatiker und Drehbuchautor Roddy Doyle ist ein bekannter und beliebter Vertreter der modernen irischen Literatur. Doyle war viele Jahre in Dublin als Geografie- und Englisch-Lehrer tätig, wo er auch heute noch mit seiner Familie lebt.
Sein erster, noch im Selbstverlag erschienene Roman «The Commitments», 1991 von Alan Parker verfilmt, machte Doyle schlagartig berühmt. Auch seine beiden folgenden Romane «The Snapper» (dt. «Hilfe, ein Baby!») und «The Van» (dt. «Fisch und Chips») wurden mit grossem Erfolg von dem Briten Stephen Frears verfilmt. Die drei Romane bilden zusammen die Barry-town-Trilogie. 1993 erschien «Paddy Clarke Ha Ha Ha», sein vierter Roman, der ihm den renommierten Booker-Preis einbrachte und in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurde.
Roddy Doyle: «Ich schreibe über irische, städtische Menschen und diese bringen das Politische mit sich, nicht umgekehrt. Schwangerschaft ausserhalb der Ehe (in «The Snapper») ist ein politischer Stoff . . . Die TV-Serie «The Familiy» war vermutlich am meisten politisch.» Zur TV-Serie «The Family» schrieb Doyle das Drehbuch. Die Serie wie sein daraus motivierter Roman «The Woman Who Walked Into Doors» (dt. «Die Frau, die gegen Türen rannte») handeln von Gewalt in der Familie und sorgten in Irland für grosses Aufsehen.
1999 überraschte Doyle mit einem historischen Rebellenroman: «A Star called Henry». (dt. «Henry der Held»). Der Roman wurde von den Kritikern hoch gelobt. Soeben ist dessen Folgeroman «Oh, Play that Thing» erschienen. Roddy Doyle ist auf dem besten Weg, ein Klassiker zu werden. Eine irische Institution ist er bereits.
Roddy Doyle schrieb seine beiden Theaterstücke «Brownbread» und «War» für die Theatergruppe «The Passion Machine» um Paul Mercier, John Sutton und John Dunne. Im September 1987 wurde Brownbread» (alias «Futsch») erstmals im SFX Center, einer trashigen Music Hall in Dublin, aufgeführt. Erst 1992 wurde das Stück gedruckt. Eine offizielle deutsche Übersetzung gibt es nicht.
Roddy Doyle zu Literatur, Kunst und Populärkultur: «Ich glaube, nicht nur in der Literatur gibt es hohe Kunst und niedrige Kunst und dazwischen einen wunderbaren Graubereich . . . Ich denke, gute Rock- oder Popmusik kann die Grenze zur hohen Kunst passieren . . . Meine Wahl in Bezug auf Worte ist immer eine literarische Entscheidung . . . ob eine hohe oder niedrige sei dahingestellt . . . ich hoffe, dass . . . meine Bücher zugleich als literarisch und zugänglich wahrgenommen werden.»
Die Jugend
Ao Farrell – Philipp Eyer
Donkey – Philippe Imwinkelried
Jo Murray – Barbara Heynen
Der Klerus
Bischof Treacy – Frank Lynch
Die Eltern
Herr Farrel – Emil Walker
Frau Farrel – Ida Häfliger
Frau Murray – Barbara Eyer
Die Polizei
Geheimpolizist – Heinz Salzmann
Polizist – Markus Berchtold
Die Marine
Lt. Bukowski – Diego Clausen
Sd. Crabacre – Beat Walker
Die Medien
Mis Murphy – Silvia Sieber
Der Präsident
Der Präsident – Elmar Regotz
Regie – Hermann Anthamatten
Regieassistenz – Gaby Stoffel
Produktionsleitung – Carmen Werner, Gaby Stoffel
Technischer Leiter – Arthur Huber
Bühnenbild – Diego Clausen, Arthur Huber, Franz Schwery
Kostüme – Rudolf Jost
Beleuchtung – Stefan Frey, Kurt Andreatta, Alexander Holzer
Maske – Johannita Mutter, Hanni Derendinger, Elsbeth Ruppen, Josiane Maesano
Plakat – Daniel Salzmann
Programmheft, Plakatgestaltung – Büro dreipunkt
Photos – Thomas Andenmatten
PR – Hermann Anthamatten
Schaufenstergestaltung – Raphaela Bayard
Musik – Beat Jaggi, Silvan Holzer, Daniel Lötscher, André Pousaz
Choreographie – Carmen Werner
Übersetzungen – Carmen Werner
Radiobeiträge
Datum: 2. Januar 2005
Beitrag: Radio Rottu
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Datum: 4. Januar 2005
Beitrag: Radio Rottu (1)
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Datum: 4. Januar 2005
Beitrag: Radio Rottu (2)
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Datum: 4. Januar 2005
Beitrag: Radio Rottu (3)
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Datum: 8. Januar 2005
Beitrag: Regionaljournal DRS1
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Videobeitrag im VS1
«Futsch» – ein Theater das aufrüttelt, Leserbrief
Datum: 11. Januar 2005
Zeitung: Walliser Bote
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«Futsch» – ein Theaterstück zum (Um)denken
Datum: 4. Januar 2005
Zeitung: Walliser Bote
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«Theater funktioniert anders als der Schulbetrieb»
Datum: 30. Dezember 2004
Zeitung: RZ Oberwallis
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«Futsch» zum Jahresende
Datum: 30. Dezember 2004
Zeitung: Walliser Bote
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Rutsch ins neue Jahr mit «Futsch»
Datum: 29. Dezember 2004
Zeitung: Coop Zeitung
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Der Bischof wird gekidnappt
Datum: 23. Dezember 2004
Zeitung: RZ Oberwallis
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Sind wir alle «futsch»?
Datum: 17. Dezember 2004
Zeitung: WB Extra 23/04
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Lustig – und dennoch politisch
Datum: 16. Dezember 2004
Zeitung: Walliser Bote
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