Hexen – Hans Steffen

Wallis um 1600. Die Zeiten sind hart – für alle. In diesem Umfeld von Armut und Angst, Gerücht und Glaube, Neid und Niedertracht entwickelt sich die Ausgrenzung von Barbara, einer mittellosen Witwe. Als Kräuterfrau stösst sie bei vielen Dorfbewohnern auf Unverständnis und gerät schlussendlich zwischen alle Fronten – orchestriert von Kirche und Gericht. Sie wird zur Hexe und soll brennen.
Das Schicksal Barbaras ist Teil unserer Geschichte. Durch sie erleben wir, wie eine Gesellschaft funktionieren kann, wie Einzelne ausgegrenzt und gejagt werden können. «Hexen» ist ein Mahnmal aus poetischen Bildern und mit starken Melodien – errichtet für alle Sündenböcke von damals und heute.

«HEXEN» – ein historischer Stoff aus dem Oberwallis um 1600. Was hat dieses Thema für dich heute noch für eine Bedeutung?
Das Thema «Hexen» ist für mich mehr als nur Geschichte. Einerseits werden in China, in Afrika, in Indien beispielsweise auch heute noch Menschen als Hexen verfolgt, anderseits ist das Phänomen «Hexen» etwas, das uns auch in der aktuellen Zeit überall begegnet: Ausgrenzung, Verfolgung, Mobbing – die Mechanismen gibt es heute wie damals. Bei uns geschieht das Ganze subtiler, feiner, wird besser verpackt, versteckt, ist aber immer noch wirksam.
Zum Beispiel wurden früher ja sehr häufig alleinstehende Frauen verfolgt, die sich und ihre Kinder durchbringen mussten. Diese Art des «Matriarchats» wurde nicht toleriert. Es passte nicht in die Vorstellung einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Heute zeigt sich das natürlich anders, z.B. an der fehlenden Lohngleichheit von Männern und Frauen. Dazu kommt die Sexualisierung der Frau: Gerade ungeschützte Frauen hatten «zur Verfügung» zu stehen. Wollten sie nicht, konnte man sie denunzieren, oder man konnte eine Geleibte, wenn sie einem lästig wurde, leicht als Hexe «entsorgen». Heute haben wir ähnliche Mechanismen: Unterdrückung, Menschenhandel, sexueller Missbrauch, selbst in humanitären Organisationen. Das ist gegen jede Menschenwürde. Macht gegen Ohnmacht. Immer das gleiche Muster. Früher wie heute.

Trotzdem: Hans Steffen hat ein historisches Stück geschrieben. Was bedeutet das für dich als Regisseurin?
Für mich ist es ein spannender Rückblick in eine andere Zeit, aber eine rein historisierende Darstellung würde mich nicht reizen. Für mich ist es wichtig, dass diese Geschichte uns heute etwas zu sagen hat, dass sie in den Kontext unserer Zeit gestellt wird. Es reicht nicht, wenn wir mit den Protagonisten mitfühlen, ihre Geschichte muss eine Wirkung auf unsere Sicht der Welt haben.

Welches ist dein Ansatz für diesen Gegenwartsbezug?
Lieder und aktuelle Texte sind Mittel, um diesen Bezug zum Heute herzustellen. Sie sollen den Zuschauern helfen, die Mechanismen zu durchschauen. Das historische Geschehen spielt sich auf der Bühne in einem Viereck, einer Raute, ab. Für die Kommentare treten die Schauspielerinnen aus diesem Raum heraus. So gelingt die Brücke zum Jetzt.

Wir haben den Autor Hans Steffen und wir haben das Freie Theater Oberwallis. Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit?
Sehr intensiv, interessant und selbstverständlich nicht ganz konfliktfrei. Inhaltlich gingen wir in die gleiche Richtung, aber einzelne Aspekte bewerteten wir unterschiedlich, z. B. die Schuldfrage. Ich spreche lieber von Verantwortung als von Schuld, denn Schuld ist passiv, so als ob ich etwas nicht selber getan hätte, sondern eben das Böse, was immer das sein soll. Und dann kann ich beichten und hoppla hü. Verantwortung dauert länger und ist persönlicher. Die Thematik «Hexen» zu bearbeiten, ohne Verantwortlichkeiten aufzuzeigen, macht für mich keinen Sinn. Klar ist: Wenn der Text fertig ist, beginnt die Umsetzung, die Inszenierung. Als Regisseurin habe ich nicht die gleichen Bilder wie der Autor und umsetzen kann ich nur die meinen.

Du hast viele Jahre Schauspielerfahrung, kommst aber eigentlich vom Film, hast seit Jahren Kindertheater inszeniert und warst auch als Choreografin tätig. Nun die erste Regiearbeit mit dem Freien Theater Oberwallis. Wie hast du das erlebt?
Es ist quasi das Zusammenführen der einzelnen Arbeiten, die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Es fasziniert mich, zu sehen, wie aus den einzelnen Teilen – Spiel, Bühne, Kostüme, Maske, Musik – ein Ganzes entsteht. Und ich bin diejenige, welche die einzelnen Fäden zusammenführt. Theater ist ein Miteinander, alle lernen von einander. Jeder muss sich auf der andern verlassen können. Theaterspielen heisst immer wieder an Grenzen stossen, immer wieder nicht weiter wissen und notfalls auch gemeinsam scheitern. Wir proben sehr konzentriert, haben aber auch sehr viel Spass. Und wir teilen uns dieses intensive Gefühl, wenn eine Stimmung, ein Bewegungsablauf, ein Satz dann endlich stimmt – das möchte ich nicht missen.

Hans Steffen hat an der Universität Zürich Geschichte studiert und mit einer Dissertation über Stockalpers Solddienste abgeschlossen. In den letzten Jahren hat er mehrere Arbeiten über das Hexenwesen im Wallis veröffentlicht, u.a. eine Abhandlung über Hexerei im Oberwallis und über die Zusammenhänge zwischen Klima und Hexenverfolgung.
Diese Veröffentlichungen wurden ergänzt durch eine Reihe von Referaten und Veranstaltungen rund um die Thematik Hexenjagden in unserer Region.
Hans Steffen war 22 Jahre lang Lehrer für Geschichte und Englisch am Institut St. Ursula (Lehrerinnenseminar/Handelsschule) und 10 Jahre am Kollegium Brig.

Regie: Carmen Werner
Dramaturgie: Hermann Anthamatten
Spiel: Barbara Eyer, Corinne Ippoliti, Monique Russi, Patricia Imseng, Petra Schoepfer, Regula Zenhäusern, Beat Nellen, Heinz Salzmann, Hermann Anthamatten, Jean-Claude Knubel, Milo Walker, Philipp Jeitziner, Chiara Supersaxo, Corsin Supersaxo
Regieassistenz: Eliane Frey
Musikkomposition: Adrian Zenhäusern, Gert Zumofen
Musik: Aron Salzmann, Beat Jaggy, Fabienne Schmidhalter, Monika Peter, Sarah Brunner
Tonstudio: Plan 1 Media, Sam Gruber
Kostüme: Rudolf Jost
Maske: Johannita Mutter, Elsbeth Ruppen, Hanny Derendinger, Josiane Maesano
Bühne: Carmen Werner, Artur Huber, Heinz Zumstein, Marco Andenmatten, Bruno Lochmatter
Beleuchtung: Bruno Lindau, Frank Lynch
Plakat: Daniel Salzmann, Frank Lynch
Fotos: Thomas Andenmatten
Werbung/Medien/Programmheft: Frank Lynch, Hermann Anthamatten, Philippe Imwinkelried
Vorverkauf: Philippe Imwinkelried

Marienlied – Hier anhören

Von guten Mächten – Hier anhören

Das Fest- Hier anhören

Dorfplatz – Hier anhören

Hexensong – Hier anhören

«Hexen» – ein Walliser Theaterstück
Datum: 19. April 2018
SRF – Regional
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SRF – Regional – Radiobeitrag
«Hexen» – ein Walliser Theaterstück
Ein historisches Theaterstück zeigt das tragische Schicksal von Barbara Lochmatter aus Saas-Almagell.
Gespräch mit Hans Steffen und Carmen Werner
12 min, aus Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom 17.04.2018.
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Walliser Bote – April 2018
Theater | Das Freie Theater Oberwallis probt für die «Hexen»-Premiere
«Sie sollen brennen!»
Das neuste Stück des Freien Theaters Oberwallis befasst sich mit einem düsteren Kapitel der Walliser Geschichte: der Hexenjagd. Eine der Gejagten war Barbara Lochmatter aus dem Saastal.
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Walliser Bote – Dienstag, 17. April 2018
Theater | Freies Theater Oberwallis lud zur Premiere von «Hexen» ins Zeughaus Kultur
«Grätsch, nix als Grätsch»
Im Theaterstück «Hexen» wird auf eindrückliche Art und Weise der soziale Abstieg einer Frau dargestellt.
Das Bühnenwerk beruht auf Tatsachen und berührt den Besucher.
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Kanal 9 – Tagesinfo vom 20. April 2018 – 3 Minuten 20 Sekunden – Videobeitrag
Hexen – Freies Theater Oberwallis
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Kanal 9 – Videobeitrag – 13 Minuten 25 Sekunden (ohne Kommentar)
Hexen – Freies Theater Oberwallis
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