Im Gantertal – Adolf Imhof

Während die Jungen sich bei der Johanna in der Taferna bei einem Winkeltanz verlustieren, kommt Borter unter ungeklärten Umständen ums Leben. Tono wird Meyer, stirbt aber anlässlich der grossen Pest. Die Ganter und Antonia wandern aus.

Antonia, die Tochter des Gantermeyer Borter, liebt Tono, einen jungen Heisssporn und Parteigänger Stockalpers. Dem Borter ist dies ein Dorn im Auge, sähe er doch lieber den Ganterweibel Steyner als Schwiegersohn. Tono besiegt seinen Nebenbuhler doppelt: Er wird neuer Weibel und gewinnt Antonia. Der Streit zwischen Borter und Tono eskaliert.

Nachdem das Freie Theater Oberwallis 1996 Büchners «Woyzeck» im Alten Werkhof aufführte, steht nun Adolf Imhofs «im Gantertal» auf dem Programm. Die Gebildeten mögen verzeihen, dass ich mir anmasse, Imhof im gleichen Atemzug mit Büchner zu nennen; bei allen qualitativen Unterschieden – und die sind riesig – ist ihnen doch eines gemeinsam: sie schrieben Texte für die Bühne. Und leider gibt es wenig Oberwalliser Dramatiker und noch weniger, die spielbar sind. Selbst Imhofs Singspiel «Gantertal» ist mehr episch denn dramatisch, und dass es zum wohl bekanntesten Oberwalliser Singspiel werden konnte, liegt wohl weniger am «Libretto» als am Liedgut. Dass der Spieltext nicht voll zu überzeugen vermag, daran sind kaum die Themen «Schuld», die abgehandelt werden, sondern die Länge und episch breite Ausführlichkeit, mit der Imhof alles zwei-, wenn nicht dreimal darlegt und erklärt. So war bei der Bearbeitung des Stücks eine meiner Hauptaufgaben, die dramatischen Komponenten herauszufiltrieren, den Ballast ins Gantertobel zu werfen und so eine schlanke dramatische Spielfassung zu erstellen, ohne dabei das Original zu verfälschen.

Das von Imhof 1947 geschriebene Stück spielt Mitte des 17. Jahrhunderts. Als Ausgangspunkt wählte er die alte Walliser Sage vom Johanneli Fy, die in der Taferna Wirtin war und aus Wasser Wein gemacht haben soll – für Bibelfeste nichts Neues! Um dieses Skelett hat Imhof verschiedene historische Themen gruppiert: der Simplonpass als Verkehrsader, durch die Ballufiehrer und Pilger pulsieren; die Ganterburgerschaft; der grosse Stockalper mit seinen Bergwerken; der schwarze Tod. Die Sagen sind eines der klassischen Kulturgüter des Oberwallis, vielleicht gar unser einzigartigstes. Und dadurch, dass Imhof den historischen Johanneli Fy-Stoff in den Mittelpunkt stellt, diesen mit anderen historischen Geschehnissen verwebt, wird das ganze selber zur Sage, zur Mythologie.

Macht, Liebe, Tod. Drei menschliche und dramatische Urthemen, die im 17. Jahrhundert, 1947 und heute essentielle und existentielle Bedeutung hatten und haben. Macht, Liebe, Tod – und über allem lastet der Katholizismus. Das Oberwallis und der Katholizismus: will man das Oberwallis verstehen, muss man die Geschichte und die Ideologie des Katholizismus kennen und begreifen.

Adolf Imhof ist Pfarrer, er schreibt das Stück in einer Zeit des Umbruchs, der Industrialisierung, des Aufkommens des Tourismus – die Moderne bricht übers Oberwallis herein. Und die Pfarrherrn predigen auf Teufel komm raus. Für Pfarrer Imhof ist klar: die Macht wird durch die Kirche legitimiert, die Liebe durch die Kirche sanktioniert, der Tod durch die Kirche expliziert. Und heute, in einer Zeit in der 35-jährige von der Werbung als jung verkauft werden, damit ja alles beim Alten bleibt? Heute wirkt das Stück nicht mehr konservativ oder reaktionär, sondern nur noch wertkonservativ. So relativ ist die Postmoderne: wer gestern jung war, ist es heute nicht mehr.

Macht, Liebe, Tod. Und Auswandern: Ein Binner kommt über den Saflisch ins Gantertal und will weiter, die Ganter zieht`s nach Brig, Zumsteg verlässt die Heimat, Antonia geht nach Sitten. Ein Oberwalliser Thema. Aber: kein Auswandern ohne Einwandern; Auswandern und Einwandern sind siamesische Zwillinge. Wir sind die Fremden.

Imhof hat sein «Gantertal» auf Hochdeutsch geschrieben. Anlässlich der Aufführung 1982 im Stockalperhof schreib Albert Carlen: «Auch hätte man sich vorstellen können, dass die Wirkung einheitlicher gewesen wäre, wenn ein sprachbegabter Mundartdichter das etwas «papierene Hochdeutsch» des Sprechtextes den Liedern angelichen hätte».

Ja, es ist ein gewisses Paradoxon: gesungen wird in Dialekt, gesprochen auf Hochdeutsch. Wenn wir an Imhofs Zeit zurückdenken, leuchtet es ein: Dialekt-Volkslieder sammeln – ja, aber ein Gelehrter in Dialekt schreiben – nein. Heute würde Imhof sein Singspiel sicherlich in einer Dialektfassung auf die Bühne bringen. Warum wir trotzdem die Originalfassung spielen? Das «papieren Hochdeutsch» ist so papieren nicht, eher barock, füllig. Und artifiziell. Dies erlaubt es, das Stück besser zu stilisieren, zu abstrahieren. In Anlehnung an das griechische Theater trenne ich in dieser Inszenierung Chor und Spiel. Die Ganter singen nicht selbst, es sind die armen Seelen, die das Streben und Sterben der Menschen kommentieren, reflektieren. Der Sprechtext ist der Kopf, das Liedgut die Seele. Die arme Seele – geschunden im täglichen Kampf um Macht, Liebe, Tod; erst im Tod kann die Seele atmen, leben.

Hermann Anthamatten

Imhof Adolf, von Brig, geb. 1906 als Sohn des Schmiedemeisters Josef-Marie Imhof, der bekannt war als Musiker, Dirigent, Sammler von Volksmelodien, Solotrompeter und Marschkomponist. Adolf Imhof studierte zwei Jahre Philosophie an der Gregoriana in Rom und vier Jahre Theologie in Sitten, wurde 1933 Vikar in Glis und 1939 Kaplan in Brig. Als solcher musste er sich in der Jungmannschaft und der Töchterkongregation zum ersten Mal mit dem Vereinstheater beschäftigen. Während zwei Wintersemestern Fortsetzung des theologischen Studiums an der nach Sitten exilierten theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. 1957 Lehrer für Deutsch, Latein und Französisch am Kollegium in Brig. 1970 krankheitshalber pensioniert. Adolf Imhof starb 1976.

Von Jugend auf war er der Instrumentalmusik zugetan. Von 1933 nahm er sechs Jahre lang Harmonie- und Kompositionsunterricht bei Charles Haenni in Sitten. Imhof komponierte zahlreiche Chorlieder, Duette, Tänze und Märsche, z.T. Bearbeitungen überlieferter Volksweisen. Die Texte zu den Liedern schrieb er selber, meistens in Mundart. 1957 gründete er den Oberwalliser Volksliederchor und war dessen Dirigent bis 1964.

1940 verfasste Imhof das Singspiel Heimatlos, in das er Eigenkompositionen und bekannte Volkslieder einbaute. (…)

1947 erschien das beliebteste und bekannteste Singspiel Imhofs, betitelt Im Gantertal, mit eigenen Liedern und Kompositionen des Verfassers. Die Lieder sind z.T. Volkslieder geworden. (…)

Das Singspiel Hauptmann Gerwer, fussend auf einer eher grausamen Walliser Sage und bestückt mit Eigenkompositionen Imhofs. (…)

Am 31. Mai 1975 erhielt Adolf Imhof für sein musikalisches und dramatisches Schaffen den Kulturpreis der Stadt Brig.

Albert Carlen, Theatergeschichte des deutschen Wallis

Personen und ihre Darsteller

Borter, Gantermeyer – Regotz Elmar
Antonia, seine Tochter – Venetz Margot
Steyner, Nachbar und Freund Borters – Walker Emil
Kathrin, dessen ältere Schwester – Sieber Silvia
Tono zen Doren, junger Ganter – Walker Beat
Johanneli Fy, Wirtin zur Taferna – Werner Carmen
Heiss, ein Ausländer – Frey Stefan
Brynlen – Eggel Wolfgang
Zumsteg – Clausen Diego
Pilger – Huber Arthur
Binner – Frey Stefan
Ballenführer von Brig – Clausen Diego, Eggel Wolfgang, Frey Stefan
Chor der Armen Seelen – Briand Manuela, Derendinger Roland, Eyer Barbara, Fux Werner, Gottsponer Huberto, Häfliger Ida, Kalbermatten Alain, Keller Monika, Lentjeens Karin, Meichtry Benno, Meinherz Elisabeth, Russi Monique

Regie – Anthamatten Hermann
Musik – Rüedi Alex
Chorleitung – Lentjeens Karin
Choreographie – Werner Carmen
Produktionsleiter – Zeder Urs
Bühne – Clausen Diego, Huber Arthur
Kostüme – Werner Carmen, Britsch Karin
Beleuchtung – Henning Lars, Frey Stefan, Huber Arthur, Andreatta Kurt
Maske – Eggel Rita, Schaller Marie-André, Ritz Marielle, Derendinger Hanni, Ruppen Elsbeth, gger Thildi, Eyer Beatrice
Bilder – Salzmann Daniel
Plakatgestaltung/Programmheft – Büro dreipunkt
Photos – Studer Céline
PR – Anthamatten Hermann
Schaufenster Apotheke Marty Brig – Bayard Rafaela

Im Gantertal, Leserbrief
Datum: 4. Mai 1999
Zeitung: Walliser Bote
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«Trüch» der Burgerschaft Ganter
Datum: 4. Mai 1999
Zeitung: Walliser Bote
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Im Gantertal, Leserbrief
Datum: 3. Mai 1999
Zeitung: Walliser Bote
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Das Singspiel «Im Gantertal»
Datum: 27. April 1999
Zeitung: Walliser Bote
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Macht, Liebe und Tod: Drei Themen, die nie sterben
Datum: April 1999
Zeitung: Walliser Bote
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Kürzen, aber nicht verfälschen
Datum: 20. April 1999
Zeitung: Walliser Bote
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«Gantertal» im Werkhof
Datum: 2. April 1999
Zeitung: RZ Oberwallis
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«Im Gantertal»
Datum: 22. März 1999
Zeitung: Walliser Bote
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